I. Allgemeines über “Thai” und “Tai”
Als Thai bzw. thailändische Sprache wird die Nationalsprache des Thais oder der Thailänder bezeichnet, die in Thailand leben. Das Thai in Zentralthailand gilt in der Regel als Standardthai oder Hochthai.
Innerhalb des “Standard Thai” gibt es Abstufungen oder Register, z.B. die Hofsprache, die Mönchsprache, die Amtsprache und die höfliche Sprache, die spezifisch ist für Männer oder Frauen. In verschiedenen Regionen Thailands spricht man unterschiedliche Mundarten oder Dialekte, in Nordthailand Kam-Muang, im Nordosten Pasa¹ Isaan und im Süden Pasa Pak-tai. Insgesamt gibt es wohl 62 Millionen in Thailand, deren Menschen Muttersprache Thai ist (S1).
Das Thai gehört zu der in Südostasien verbreiteten Sprachfamilie “Tai”. Viele thailändische Historiker vertreten die Meinung, dass die Tai-Stämme bereits vor der buddhistischen Ära in Südchina ansässig waren. Es handelt sich hier um das Gebiet des heutigen Provinzen Yunnan, Hunnam, Kuichiu, Kwang-tung und Kwang-sai. Die Tai waren freie Völker, unabhängig vom Chinesischen Reich. Nach den ständigen Konflikten mit den Chinesen wanderten die Tai-Stämme allmählich nach Südwesten Richtung Indochina, Burma und Südindien ab. Diese Tai haben unterschiedliche Namen, z.B. Tai-Yai (Großtai), Tai-Chan oder Ngiew (Bezeichnung eines Bergstamms), Tai-Dam (Schwarz-Tai), Tai-Yuan oder Lue oder Koen und Tai-Aa-hom in Südindien.²
Nach dem neuesten Stand der Forschung wird angenommen, dass die Tai-stämme aus zwei Gruppen bestanden: Die Großzahl der Tai-Stämme bzw. die Tai-Kultur befanden sich im Lan-Chang Reich (in Nordthailand) mit Chiengmai als Hauptstadt und die Tai-Stämme in Zentralthailand, die wahrscheinlich immer dort gewesen waren. Es könnte auch sein, dass ein großer Teil von ihnen von Laos und Sibsong-chu-thai (Südchina) ausgewandert sind. Die anderen Tai-Stämme lebten außerhalb des heutigen Thailands, wie Chiengtung (im Norden an der Grenze zu China), Tai-Yai (Großtai), Sibsong-Panna und die Tai im Lanna-Raich (das heutige Laos).³
Eine der bedeutendsten thailändischen Sprachwissenschaftlerinnen im Bereich der Forschung über die Tai ist Frau Professor Dr. Banchob Banthumeta (1920-1992).
II. Über die Sprache
Zum Studium der Thailändischen Sprache muss man zwischen der Struktur der Sprache und deren Schrift unterscheiden.
Die Struktur der Sprache
Die thailändische Sprache wird strukturell durch einige wichtige Merkmale gekennzeichnet :
1. Isolierende Sprache
Das Thai ist strukturell eine Isolierenden Sprache. Wie bei anderen isolierenden Sprachen (Chinesisch, Tibetisch, Burmesisch, Khmer, Laotisch z.B.) stellt sich die Struktur des Thais mosaikartig dar. Das heißt, ein Satz wird durch die Aneinanderreihung mehrerer einzelner Wörter gebildet. Jedes Wort ist “frei” und “unabhängig” und bildet eine Einheit für sich.
2. Keine Flexion oder Konjugation
Das Thai kennt keine Flexion oder Konjugation wie das Deutsche oder andere indogermanische Sprachen wie z.B. Sanskrit, Pali, Griechisch oder Latein. Mit anderen Worten : Im Thai gibt es keine Wortteile wie Artikel oder Endungen, die flektiert werden müssen. Die Sprache kennt keinen Genus, Kasus, Numerus, Tempus oder Modus durch Flexionen und Formen wie im Deutschen. Ein Satz besteht aus unflektierten Wörtern, die in bestimmter Reihenfolge aneinandergefügt werden. Im Thai ist die Reihenfolge der Wörter von großer Bedeutung.
3. Keine freie Wortstellung
Das Thai hat keine partielle freie Wortstellung wie das Deutsche. Die Reihenfolge der Wörter in einer Äußerung oder in einem Satz drückt ihre Bedeutung nach dem Schema aus:
“wer macht was” Subjekt – Verb (Prädikat) - Objekt (S–V-O)
Daher können die Wörter nicht wie im Deutschen umgestellt werden, da die Wortstellung zeigt, welche Funktion das Wort im Satz hat.
Im Deutschen dagegen können die Funktion und Rolle als Subjekt oder Objekt dargestellt werden, damit die syntaktischen Kategorien Subjekt und Objekt und die semantischen Kategorien Agens und Patiens nicht verwechselt werden.
Kurzum: Das Thailändische hat keine partiell freie Wortstellung wie das Deutsche. Die Zeitbedeutung wird z.B. durch adverbiale Ergänzungen ausgedrückt, auch nicht markiert durch Zeitformen oder Endungen wie im Deutschen.
4. Ein echtes Thai Wort ist meist einsilbig.
Mehrsilbige Wörter im Thai stammen grundsätzlich aus Fremdsprachen wie Sanskrit, Pali oder Khmer.
5. Tonsprache gegenüber flektierender Sprache
Das Thai ist eine Tonsprache. Es gibt insgesamt fünf Tonhöhen und vier Tonzeichen im Thai. Jede Silbe hat einen Ton, der bedeutungsunterscheidend sein kann. Diese Töne sind im Enzelnen:
Inhalt folgt
Diese Eigenschaft bereitet den meisten Europäern Schwierigkeiten, Thai zu lernen, denn die Aussprache in der falschen Tonhöhe kann in der Kommunikation zu Missverständnissen führen.
Jedoch gibt es Regeln für die Bestimmung der Tonhöhe. Dabei spielen die folgenden vier Faktoren eine entscheidene Rolle:
- Tongruppe des Anfangskonsonanten im Wort
- Tonzeichen -> Existiert ein Tonzeichen?
- Gruppe des Endkonsonanten Ist der Auslaut bzw. die Silbe des Endkonsonanten “tot” oder “lebend”?
- Ist die Silbe “lang” oder “kurz” ? (Patcharee Kaspar-Sickermann, 2002, 20)
Diese vier Faktoren determinieren gemeinsam in ihrem Zusammenspiel der unterschiedlichen Tonhöhen einer Silbe. Dabei ist es wichtig zu bemerken, dass die Tonhöhe nicht immer mit dem Tonzeichen übereinstimmt.
Matrix zur Bestimmung der Tonhöhe (Kaspar-Sickermann 2002, 24)
Tongruppe
Anfangskonsonant
|
Silbe
lebend tot
kurz lang
|
Tonzeichen
|
mittlere Gruppe
(M)
|
ebener Ton
(E)
|
tiefer Ton
(T)
|
tiefer Ton
(T)
|
fallender Ton (F)
|
hoher Ton
(T)
|
steigender Ton
(S)
|
hohe Gruppe
(H)
|
hoher Ton
(T)
|
tiefer Ton
(T)
|
tiefer Ton
(T)
|
fallender Ton
(F)
|
0
|
tiefe Gruppe
(T)
|
ebener Ton
(E)
|
hoher Ton
(H)
|
fallender Ton
(F)
|
fallender Ton
(F)
|
hoher Ton
(T)
|
0
|
Die Schrift
Das Thai hat keine Bildschrift wie das Chinesische oder das Japanische, sondern eine Alphabetenschrift – bestehend aus Konsonanten und Vokalen.
1283 schuf König Ramkamhaeng im Sukhothai-Reich (1238 –1438), dem ersten offizielle Thai-Reich im heutigen Zentralthailand, das Thai-Alphabet. Die Schrift ging auf Mon-Khmer und alte südindische Schriftzeichen zurück (Voravejpisit, Phra, 1991, 49-53). In der Zeit des Königs Ramkamhaeng schrieb man Konsonanten und Vokale in dieselbe Zeile. Mit der Sukhothai-Zeit kam der Einfluss des Khmer, und eine neue Schreibweise wurde eingeführt: man schrieb Vokale entweder über, unter, vor oder nach Konsonanten.
Die Thaischrift wird horizontal von links nach rechts geschrieben und gelesen. Im Gegensatz zu europäischen Schriften kennt sie keine Satzzeichen und keinen Abstand zwischen den Wörtern. Das Satzende wird lediglich durch einen Zwischenraum angedeutet.
Das Alphabet der thailändischen Sprache besteht aus 44 Konsonanten und 32 Vokalen.
Die Konsonanten
Es gibt 44 Konsonanten, aber heute sind in der Regel nur 42 im Gebrauch. Einige Buchstaben, die ihre Abstammung aus dem Pali oder Sanskrit haben, haben den gleichen Laut wie die echten Thai-Konsonanten.
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¹ “Pasa” bedeutet Sprache.>
² Siehe Vorawejpisit, Phra, Grammatik der Thai-Sprache (1991), Centrum für Thai Sprache und Literatur, Faculty of Arts, Chulalongkorn Universität, Bangkok, Thailand, Seite 9-15.
Auch Kannya Lielalai (2001), Die Geschichte der Tai-Stämme (mit Kommentar von Prof.Dr. Nithi Iew-Siwong), aus der Serie des Forschungsprojekts “ Die Geschichte der Kultur und Gesellschaft der Tai-Stämme, Band 4, geleitet von Prof.Dr. Chatthip Nartsupa, Thailand Research Fund, Bangkok: Ammarin Printing & Publishing.
³Siehe auch Kannya Lielalai (2001), Die Geschichte der Tai-Stämme (mit Kommentar von Prof.Dr. Nithi Iew-Siwong), aus der Serie des Forschungsprojekts “Die Geschichte der Kultur und Gesellschaft der Tai-Stämme“, Band 4, geleitet von Prof. Dr. Chatthip Nartsupa, Thailand Research Fund, Bangkok: Ammarin Printing & Publishing.
Frau Prof. Dr. Khun Banchob Banthumeta war an der Pädagischen Hochschule Ratchpat Chantrakasem tätig und wurde eine Pionierin der Wissenschaft, die zahlreiche Forschungsarbeiten zum Thema “Sprache und Kultur der Tai außerhalb Thailands präsentierte. Sie war allein nach Assam (Südindien) und Tai-Yai gereist, wo die Reise sehr schwierig und unbequem war, um die Sprachen und Kultur der Taistämme zu erforschen.
Ein kurzer Überblick über das Thai gibt Patcharee Kaspar-Sickermann in : Thai zum Selbststudium, Eine solide Brücke zu Sprache und Schrift (Band 1, Band 2 mit CDs 1-9), 2. Auflage, Ulm: Japaninfo Verlag, 2002, S. 1-9. |